M E S C H E D E . Es lag eine spürbare Energie in der Luft, am Morgen des 28. Oktober 2025 in der Stadthalle Meschede. 250 Kita-Leitungen, MAV-Mitglieder, Verwaltungsmitarbeitende, Verwaltungsratsmitglieder und Gäste aus den Schwestergesellschaften im Erzbistum waren zusammengekommen. Es war der erste Kongress der WIR-KITAs, und das Motto des Tages – „Gemeinschaft stärkt – einfach machen…!“ – klang wie eine dringend benötigte Parole in stürmischen Zeiten.
„Denn die Zeiten sind mehr als stürmisch. Sie sind transformativ“, so WIR-KITAs-Geschäftsführer Michael Stratmann. Die WIR-KITAs gem. GmbH, erst im Frühjahr 2025 durch den Zusammenschluss der drei großen Vorgängergesellschaften als katholischer Kita-Träger im Erzbistum Paderborn entstanden, bildet nun einen Verbund von über 175 Einrichtungen und annähernd 3.000 Mitarbeitenden zwischen Hamm und Siegen. Diese interne Neuaufstellung allein ist ein gewaltiger Prozess.
Die spirituelle Verankerung dieses Auftrags wurde gleich zu Beginn deutlich. Neben einem gemeinsamen Wortgottesdienst mit Dechant Georg Schröder setzte der Paderborner Erzbischof Dr. Udo Markus Bentz, der per Video ein Grußwort sendete, den theologischen Rahmen. Er nannte die Kitas „lebendige Orte, die einen wichtigen Beitrag zur Bildung und Elementarbetreuung“ leisten, an denen „Grundlagen für Leben, Glauben und Gemeinschaft“ vermittelt würden. „Die Kitas sind pastorale und diakonische Orte“, so der Erzbischof, an denen „Kinder Gott erfahren dürfen.“ Damit betonte er die doppelte Sendung der Einrichtungen: Sie seien nicht nur Orte des diakonischen Dienstes an der Gesellschaft – also der konkreten Betreuung und Unterstützung von Familien – sondern auch pastorale Orte, an denen der Glaube aktiv gelebt und erfahrbar gemacht wird.
Doch dieser kirchliche Anspruch und die interne Neuaufstellung treffen auf eine externe Krise, die die gesamte Kita-Landschaft in Nordrhein-Westfalen erfasst hat.
Das Dilemma der „Chaos-Surfer“
Die aktuelle politische Lage ist geprägt von einem dramatischen Fachkräftemangel – Schätzungen zufolge fehlen in NRW bis 2030 zehntausende Kräfte. Träger landesweit kämpfen mit Personalnot, müssen Öffnungszeiten reduzieren oder Gruppen schließen. Gleichzeitig ringen Politik, Träger und Kommunen um eine überfällige Reform des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) und dessen Finanzierung. Erst kürzlich, im Herbst 2025, hat die Landesregierung neue Eckpunkte für eine Reform vorgelegt, doch die Finanzlage der Kommunen bleibt katastrophal, und viele Träger fühlen sich im Stich gelassen.
In genau diese Gemengelage hinein sprach die Keynote von Prof. Dr. Clarissa Vilain. Die Professorin für Praktische Theologie an der Katholischen Hochschule Mainz, bekannt für ihre Forschungen zu Transformationsprozessen in kirchlichen Organisationen, referierte zum Thema „Kompetent in Transformation. Kitas in sich verändernden Zeiten“. Ihre Botschaft war schonungslos und ermutigend zugleich. Transformation, so Prof. Dr. Vilain, sei eben keine planbare Veränderung. Sie werfe die Grundsatzfrage auf: „Wofür gibt es uns eigentlich?“
Die Teilnehmenden müssten lernen, „Chaos-Surfer“ zu werden. Transformation bedeute, zu handeln, „auch ohne zu wissen, wohin uns der Weg führen wird“. Man müsse „handlungsfähig im Ungewissen bleiben“.
„Einfach machen ist eine Haltung“
Wie existenziell diese Handlungsfähigkeit ist, wurde in der anschließenden Podiumsdiskussion deutlich. Moderiert von Dr. Claudia Kolf-van Melis, trafen hier Theorie und Praxis aufeinander: der designierte Landrat des Hochsauerland-Kreises, Thomas Grosche, diskutierte mit Julia Brodersen-Schäfers von der Kompetenzeinheit Kitas im Erzbistum Paderborn, Nadine Mersch vom Diözesankomitee, WIR-KITAs-Verwaltungsratsmitglied Birgit Peters, der Hammer Gemeindereferentin Heike Frankenberg und Prof. Dr. Clarissa Vilain. Gemeinsam mit der WIR-KITAs Geschäftsführung Michael Stratmann war das Fazit ein klarer Appell: Bei allen aktuellen Herausforderungen müssten Gesellschaft und Politik dafür sorgen, dass Kitas ihre „finanziellen und organisatorischen Probleme“ meistern können. Sie müssen handlungsfähig bleiben.
Der Kongress selbst war eine Antwort des Trägers auf diese Anforderung. Brigitte Weimer, Bereichsleiterin und Teil des Organisationsteams, fasste die Motivation zusammen: „So was wie diesen Kongress hat es bei uns noch nie gegeben. Er soll eine Plattform für den Diskurs und Austausch sein.“ Ziel sei es gewesen, so Brigitte Weimer, „die WIR KITAs-Leitungen und Mitarbeitende der Verwaltung zusammenzubringen.“
Genau hier schließt sich der Kreis zum Motto. „Einfach machen ist für uns keine Floskel, sondern eine Haltung! Ein starkes WIR ist unsere DNA!“, hatte Geschäftsführer Sebastian Schrage zur Begrüßung gesagt. Sein Kollege Michael Stratmann ergänzte: „Wir brauchen Menschen, die mitgehen. Einfach machen! Die Kinder machen es uns jeden Tag vor!“
Von der Theorie in die Werkstatt
Wie dieses „Machen“ aussehen kann, zeigten die 12 Workshops am Nachmittag. Sie waren der Maschinenraum des Kongresses. Anja Nicolin, ebenfalls Bereichsleiterin und Mitorganisatorin, betonte die inhaltliche Ausrichtung: „In den Workshops wurden Themen aufgegriffen und vertieft, die aktuell die Teams in den Kitas sowie den Träger beschäftigen und die wichtig sind, um die WIR-KITAs zukunftsfähig zu machen.“
Die Bandbreite spiegelte die drängendsten Themen wider: von einem Workshop zu den nüchternen „Rahmenbedingungen KiBiz – Finanz und Personalplanung“ über die Entwicklung einer Arbeitgebermarke unter dem Titel „WIR DNA – Gemeinsam stark für morgen“ bis hin zum pastoralen Selbstverständnis im Workshop „Unser Herzstück – die pastorale Arbeit“. Diese Vielfalt, die auch Achtsamkeit und Demokratie in der Dienstgemeinschaft umfasste, machte das Ziel des Tages greifbar: die Mitarbeitenden im andauernden Transformationsprozess zu stärken und zu begleiten.
Als zum Abschluss die Kabarettistin Anja Geuecke als „Hedwig vom Himmelsberg“ die Bühne betrat, war dies mehr als nur ein humorvoller Ausklang. Sie glänzte mit spitzer und humorvoller Sprache, öffnete neue, ungewohnte Blickwinkel auf den Kita-Alltag sowie die Kirche und baute dabei bereits treffsicher erste Eindrücke des Kongresstages in ihren Vortrag ein. Es war ein Akt der Wertschätzung für 250 Fach- und Führungskräfte, die an diesem Tag nicht nur über Transformation diskutiert, sondern sich auch gegenseitig darin bestärkt haben, diese im Sinne der Kinder zu gestalten. Mit Haltung und, wenn nötig, als Chaos-Surfer.